Foto: Nana - What else? (Bildrechte: Blanvalet)
Wie soll ich lernen zu leben, ohne zu wissen, wie es Dir geht?
aus: Mit jedem neuen Tag von Marc Levy, Seite 76 (Zitatrechte: Blanvalet)
Ein klein wenig zum Inhalt: Andrew Stilman, investigativer Journalist der New York Times, trifft eines Abends durch Zufall auf seine Jugendliebe Valérie und verliebt sich prompt wieder in sie. Die beiden finden nach Jahren wieder zueinander und Andrew bittet Valérie, ihn zu heiraten. Das Märchen könnte perfekt sein, hätte Andrew nicht wenige Tage vor ihrer Hochzeit eine Unbekannte in einer Bar kennengelernt, die ihm seither nicht mehr aus dem Kopf geht. Er trifft eine falsche Entscheidung nach der anderen. Als er dies begreift und sein Leben wieder in die richtigen Bahnen lenken möchte, wird er beim morgendlichen Joggen erstochen… und wacht zwei Monate zuvor wieder auf. Während er zunächst denkt, den Verstand verloren zu haben, begreift er schließlich, dass ihm eine zweite Chance gegeben wurde. Alle seine Fehler sind nie geschehen, er hat wieder eine reine Weste – und die Möglichkeit, nun andere Entscheidungen zu treffen.
Idee: Ein Mann begeht den größten Fehler seines Lebens, stirbt, und erhält eine zweite Chance. Klingt spannend? Ist es auch! Diese Liebesgeschichte mit fantastischem Touch dient als Rahmenhandlung, welche verflochten ist mit der Recherche Andrews über das grausame Schicksal von argentinischen Regimegegnern und deren verschleppter Kinder in den 1970ern.
Umsetzung: Sowohl Andrews Recherche in Argentinien als auch seine „Zeitreise“ sind unglaublich spannend durchdacht. Miteinander verwoben ergeben sie einen sehr komplexen Roman, der das Zeug gehabt hätte, ein weiteres Herzensbuch von Marc Levy zu werden. Doch leider sprang der Funke nicht über, denn die Charaktere (mit Ausnahme von Andrews Freund Simon), vor allem aber der Protagonist Andrew, lassen den für Marc Levys Figuren üblichen spritzig-kecken und liebevollen Charme vermissen und laden nicht dazu ein, sie ins Herz zu schließen. Andrew ist einer jener Menschen, die meinen, die Welt würde um sie kreisen. Er ist egozentrisch, rücksichtslos und vollkommen unfähig aus seinen Fehlern zu lernen. Leider konnte ich mich für den Protagonisten nicht wirklich erwärmen. Was mir jedoch ausnehmend gut gefallen hat, waren die „Easter Eggs“. Immer wieder versteckte der Autor kleine Anspielungen auf andere seiner Romane und verknüpfte so Nebenfiguren mit Figuren, aus gänzlich anderen Geschichten (wie beispielsweise Solange du da bist), was natürlich nur für eingefleischte Marc Levy-LeserInnen ersichtlich ist. Eine tolle Idee, deren geschickte Umsetzung mich zum Schmunzeln brachte.
Gestaltung: Das Cover ist wunderschön und gut durchdacht. Ein Frauenportrait im Profil, das fast gezeichnet wirkt; erst auf den zweiten Blick ersichtlich ist eine Brücke, deren Bild mit dem der Frau verschmilzt. Schwarzweiß spielt mit Schatten und kräftigen Farbkontrasten in Blau und Rot. Gelungen, wenn auch nicht einzigartig außergewöhnlich.
Er sah auf seine Uhr, zögerte, ging zum Telefon und rief Simon an. „Störe ich?“
„Natürlich
nicht. Ich habe gerade William Faulkners Als ich im Sterben lag gelesen
und nur darauf gewartet, dass du mich morgens um zwei anrufst.“
„Das fügt sich ja wunderbar.“
und nur darauf gewartet, dass du mich morgens um zwei anrufst.“
„Das fügt sich ja wunderbar.“
aus: Mit jedem neuen Tag von Marc Levy, Seite 204 (Zitatrechte: Blanvalet)
Fazit: Wer mich kennt oder meinen Blog schon ein Weilchen verfolgt, der weiß, dass ich ein begeisterter Fan der Romane von Marc Levy bin. Ich liebe seinen Wortwitz, schätze seinen pointierten Ausdruck, mag die Keckheit, der Charaktere, die er schafft und genieße den Tiefgang seiner Erzählungen. Tragische Familiengeschichten, heitere Liebesromane, humorvolle Fantasy: all das kann man von Marc Levy bekommen, denn Genregrenzen scheinen diesen Autor nur wenig zu kümmern. Ich habe bisher jedes Buch dieses Autors mit großem Vergnügen gelesen und auch weiterempfohlen. Letzteres würde ich im Fall seines jüngsten Romans Mit jedem neuen Tag leider nicht tun. Zwar ist dieser Roman ein kurzweiliger, perfekt recherchierter Pageturner mit solidem Spannungsbogen, doch das typische „Ich lese hier das genialste Buch aller Zeiten“-Gefühl, das mich normalerweise immer beschleicht, wenn ich ein Buch dieses Autors in Händen halte, wollte sich nicht einstellen. Die Idee ist brillant, die Umsetzung allerdings verhindert jegliches Warmwerden mit dem Protagonisten, ließ mich Haare raufend verzweifeln und schlussendlich die Lektüre mit einem leicht enttäuschten Gefühl beenden. Wenn man das Gelesene allerdings ein wenig nachwirken lässt, dann ist die Message, die es transportiert, dennoch eine sehr wertvolle, wenn auch gut versteckte:
Und die Moral von der Geschichte? Nicht alles, was nach einer zweiten Chance aussieht, ist auch eine. Manchmal kann man Geschehenes nicht ändern, Worte, die gesagt sind, kann man nicht ungehört machen und die Zeit lässt sich nicht einfach zurückdrehen. Auch, wenn wir uns manchmal nichts sehnlicher wünschen.
Ich vergebe 3 von 5 Gerrys an Mit jedem neuen Tag von Marc Levy und freue mich – obwohl dieser Roman mein Herz leider nicht für sich gewinnen konnte – auf das nächste Buch des Autors.
Mit jedem neuen Tag von Marc Levy | Originaltitel: Si c'était à refaire | Übersetzung: Eliane Hagedorn, Bettina Runge | Blanvalet, 2015 | Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 368 Seiten | ISBN: 978-3-7645-0529-5
Ich bedanke mich von ♥en beim Blanvalet Verlag für das Rezensionsexemplar.