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[Rezension] Heilige Kuh von David Duchovny (Hörbuch)

Sonntag, 8. November 2015

Foto: nanawhatelse.at Bildrechte (Cover): der Hörverlag

"Hass ist Unsinn. Hass ist wie ein Gift, das man für seine Feinde zusammenrührt 
und das man am Ende aber doch selber schluckt."
aus: Heilige Kuh von David Duchovny. Gelesen von Cathlen Gawlich. Zitatrechte: der Hörverlag. CD 1, Kapitel 18 "Free Bird"


Kuh(l) sein und die Welt retten

Was haben Kühe, Popkultur und der Palästinakonflikt miteinander zu tun? Gemeinsam sind die alle Teil unserer heutigen Welt. In dieser Welt macht sich eine junge Kuh namens Elsie auf, etwas an ihrem Schicksal zu ändern. Mit einem zum Judentum konvertierten Schwein und dem wild plappernden Truthahn Tom begibt sie sich auf eine Abenteuerreise, in deren Verlauf der Hörer viel Wahres über die Menschen erfährt. Und dabei leben David Duchovnys tierische Helden genau das vor, was die Welt heute braucht: Toleranz und Menschlichkeit.

Ein klein wenig zum Inhalt: Als Elsie, eine glückliche und wohlgenährte Kuh, eines Nachts durch das Fenster des Farmhauses in das Wohnzimmer des Bauern blickt, als gerade eine Dokumentation über Schlachthäuser im Fernsehen läuft, beschließt sie, nicht zum Schnitzel werden zu wollen. Sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand und möchte ihr Glück als heilige Kuh in Indien versuchen. Doch auch Tom, der supernervöse Truthahn (der gerne und verteufelt gut Sigmund Freud imitiert) hat nicht vor an Thanksgiving zum Braten zu werden und Shalom, ein Schweinchen mit jiddischem Akzent ist ebenfalls nicht gewillt, als knuspriger Speck in der Pfanne zu enden. Die drei machen sich also gemeinsam auf den Weg, in eine Zukunft, in der sie nicht auf der Speisekarte landen, sondern ihre Wünsche  und Träume verwirklichen wollen. Dass bei einem Unterfangen dieser Art das ein oder andere Malheur vorprogrammiert ist, versteht sich von selbst ...


Ich kam zu dem Schluss, dass Menschen letztlich ziemlich kompliziert sind. 
Und auch ein bisschen neben der Spur.
aus: Heilige Kuh von David Duchovny. Gelesen von Cathlen Gawlich. Zitatrechte: der Hörverlag. CD 1, Kapitel 20 "Indien"


Idee und Umsetzung: Mit welchen Erwartungen geht man an ein (Hör-)Buch, das "Heilige Kuh" heißt, dessen Klappentext jedoch nicht nur humorvolle Unterhaltung, sondern auch Tiefgang und nicht ganz leicht verdauliche Kost verspricht? Am besten mit keinen. Denn dieses (Hör-)Buch sprengt jeden erwartbaren Rahmen und hat mich im wahrsten Sinne des Wortes aus den Schuhen gehauen. Für mich vereint dieses Buch das Beste aller Genres: Es stimmt nachdenklich, ist informativ und nicht zuletzt: saukomisch (Wortspiel olé!). Sprachlich ist es eine Mixtur aus metaphernreicher und stilistisch ausgeklügelter und verspielter Sprachkunst und spröd-direkter Hau-drauf-Taktik. Während ich anfangs noch etwas skeptisch war (zur Erinnerung: die Erzählerin ist eine Wiederkäuerin!), verflogen alle Zweifel nach nur wenigen Sätzen und ich durfte pures Hörvergnügen erleben. Nicht zuletzt der kindlich-naive Blick von Elsie auf die Welt und die Menschen macht dieses Buch so unglaublich unterhaltsam und lehrreich zugleich. "Heilige Kuh" öffnet einem die Augen und zwinkert dabei schelmisch. David Duchovny hat Ethik, Moral und Politik mit viel Wortwitz, Humor und Fantasie in einen Topf geworfen und fleißig umgerührt. Wer meint, das Ergebnis sei ungenießbar, irrt sich gewaltig. Der Roman, den der Akte-X-Mann uns da präsentiert, ist absolut stimmig und sehr harmonisch - trotz der feinen Bauernhofduftnoten. Prädikat: Wertvoll!

Ich hab nie kapiert, warum Liebe so weh tun kann. Aber auf jeden Fall kann man diesen Schmerz mit nichts auf der Welt vergleichen. Das ist nicht wie bei einem gesplitterten Huf, 
eher  als ob einem ein Braunbär das Herz umarmt.
aus: Heilige Kuh von David Duchovny. Gelesen von Cathlen Gawlich. Zitatrechte: der Hörverlag. CD 1, Kapitel 18 "Free Bird"



Stimmliche Umsetzung: Cathlen Gawlich hat eine unvergleichliche Erzählstimme, die die Geschichte für mich erst so richtig zum Kopfkino werden ließ. Jedem der tierischen Helden verlieh sie eine ganz eigene Stimme, einen eigenen Charakter, ein eigenes Wesen. Ich bin ein Fan von Hörbüchern und bevorzuge normalerweise männliche Stimmen - dieses "Urteil" musste ich jedoch nach dem Hören von "Heilige Kuh" schnell revidieren. Cathlen Gawlich ist für mich DIE Erzählstimme und ich hoffe, dass ich mir zukünftig noch öfter von ihr vorlesen lassen darf.


Und wo wir gerade beim Thema sind: Schlafende Kühe Umschubsen ist erstens doof, und zweitens funktioniert es nicht. Wahrscheinlich deshalb, weil wir uns nachts zum Schlafen einfach hinlegen und da könnt ihr uns rumschubsen, wie ihr lustig seid. Theoretisch. Weil praktisch nervt das. Sollten wir vielleicht mal versuchen, euch umzuschubsen? Hm? Denkt mal drüber nach. Ja, genau. Euch meine ich. Die, die sich angesprochen fühlen, wissen bescheid.
aus: Heilige Kuh von David Duchovny. Gelesen von Cathlen Gawlich. Zitatrechte: der Hörverlag. CD 1, Kapitel 21 "Operation Indien"


Gestaltung: Schwarz, weiß, gepunktet und gefleckt ... Schlicht und dennoch wirklich zum Brüllen. Elsie posiert als toughe Protagonisten-Kuh am Cover und lädt ein, ihre Geschichte anzuhören. Diese Einladung sollte man annehmen.

Fazit: "Heilige Kuh" ist eine moderne Fabel, in der uns vor Augen geführt wird, dass Mensch-Sein nicht zwangsläufig für jeden bedeutet, auch Menschlichkeit walten zu lassen - durch die wir aber auch auf augenzwinkernde Art daran erinnert werden, dass wir unser Schicksal selbst in der Hand haben. Dieser Roman ist heiterer Jux und humorvolle Abrechnung zugleich. Hörbuch-Empfehlung!


Ich vergebe 4,5 von 5 Gerrys für diese außergewöhnliche, 
tiefsinnig-humorvolle und brillant erzählte moderne Fabel.


Heilige Kuh von David Duchovny | Originaltitel: Holy Cow | Übersetzung: Timur Vermes | Hörbuch, Länge 3 h 44 min |
der Hörverlag, 2015 | ISBN: 978-3844518153